27 Februar 2022
„Wahre Vergebung ist dann, wenn du sagen kannst – danke für diese Erfahrung“ – Oprah Winfrey
Niemand kann irgendwem irgendetwas vergeben, wenn er weiterhin Wut, Hass oder andere negative Emotionen in sich trägt. Daher musst du auch zuerst die Wut, die du seit Jahren in dir trägst, ausräumen, bevor du den Vergebungsprozess beginnst. Ich meine nicht nur den Zorn auf andere Menschen, sondern auch den Zorn auf dich selbst.
Wenn du damit beginnst, deinen Zorn auszuräumen, kann es sich erweisen, dass es nicht nur ein geringer unbedeutender Ärger ist, sondern es sich um tiefe Schichten von Verbitterung, Zorn, Hass, Klagen oder Abneigung handelt, die du dir bis jetzt gar nicht bewusstgemacht hast.
Die meisten Menschen, die mich wegen ihrer Probleme um Hilfe bitten, tun sich schwer mit dem Vergeben. Natürlich sind die Probleme unterschiedlich, aber alle Menschen verbindet ein gemeinsames Merkmal, das sie daran hindert, normal zu leben, was schließlich zu Heimsuchung, Krankheit oder anderen Problemen der verschiedensten Art führt. Die Menschen tragen große Schichten an Zorn, Missgunst, Wut und Hass auf andere Menschen in sich, aber die meisten sind sich nicht darüber im Klaren, dass sie auch großen Zorn auf sich selbst und Selbstmitleid in sich tragen.
Solche Menschen erbosen sich lieber über andere, um in der Rolle des Opfers zu verharren. Sie wollen nicht die Verantwortung für ihr Leben übernehmen. Täten sie das, könnten sie sich nicht selbst bemitleiden und Mitleid von anderen Menschen erhalten nach dem Motto: „Seht her, wie arm ich doch dran bin, alles, was mir zustößt, stammt von anderen Menschen, Situationen usw.“
Ist das wirklich so? Können andere Menschen uns etwas zufügen, was wir selbst nicht anziehen würden? Keinesfalls! Alles, was in unserem Leben geschieht, ziehen wir durch unsere eigenen falschen Überzeugungen an. Wir haben sie von unseren Eltern übernommen, diese wiederum von ihren Eltern usw.
Also sind unsere falschen Überzeugungen für unser verfehltes Leben verantwortlich und nicht andere Menschen. Dein Leben ist so wie die Gedanken, die du in dir trägst und die aus deinen Überzeugungen entstehen. Was du der Welt in Form von Gedanken gibst, erhältst du in Form von Ereignissen zurück.
Die Welt ist unser Spiegel, damit wir uns darin betrachten und unsere Schwächen erkennen können. Wir ziehen solche Menschen an, die uns unsere Überzeugungen zeigen und denen wir im Gegenzug ihre Überzeugungen zeigen. In unserem Leben geschieht nichts zufällig. Wenn du an einem Unfall beteiligt bist, sind immer beide Seiten dafür verantwortlich. Es ist einerlei, um was für ein Ereignis es sich handelt und wie viele Personen involviert waren.
Daher bist du genauso verantwortlich wie jene, denen gegenüber du Groll und Wut hegst oder gegen die du Vorwürfe erhebst. Du trägst Zorn auf dich selbst in dir, möchtest dir das aber nicht eingestehen, weil du gleichzeitig die Verantwortung für dein Leben übernehmen müsstest und die Schuld nicht auf andere abwälzen könntest.
Wenn du auf etwas wütend bist, dann musst du wissen, dass sich hinter der Wut Angst, die du dir nicht bewusstmachen willst, verbirgt. Tätest du das, fürchtetest du dich nicht mehr und im Ergebnis würdest du nicht wütend sein oder dich ärgern. Doch du fürchtest dich, in deine Angst zu schauen und bist lieber wütend, um die Angst um jeden Preis zu leugnen, um dich besser zu fühlen. Du gewinnst zwar eine Atempause, machst dir aber nicht bewusst, dass du wie ein Magnet genau das Ereignis anziehst, vor dem du dich fürchtest, wenn du an der Angst festhältst. Du musst durch diese Episode durch, weil du sie selbst durch deine Angst angezogen hast. Aus diesem Grund fühlst du dich schuldig, mit dem Schuldgefühl ziehst du wiederum verschiedene Plagen an, denn Schuld verlangt immer nach Strafe. Damit gerätst du in einen Teufelskreis.
Gewöhnlich will der Mensch sich nicht klarmachen, dass das Unglück, das ihn trifft, die Antwort auf seine Ängste und das Bedürfnis ist, sich selbst zu bestrafen. Um aus diesem Teufelskreis herauszukommen, musst du deinen Zorn ausräumen und dir und anderen vergeben.
Wie soll man das tun?
Bevor du den Prozess, deinen Zorn auszuräumen und dir und anderen zu vergeben beginnst, musst du dafür ausreichend Zeit reservieren, damit dich niemand dabei stört. Vor allem schalte das Telefon aus und informiere deine Mitbewohner, dass du an diesem Abend allein sein möchtest. Diese Zeit muss nur für dich sein. Niemand darf dich stören.
Versorge dich mit einer entsprechenden Menge loser Blätter, etwas zu trinken, etwas zu essen, geh nochmal auf die Toilette. Es geht darum, dass du dich während des Prozesses, deinen Zorn auszuräumen und zu vergeben, auch nicht für einen Augenblick ablenken lässt. Lässt du dich auch nur einmal ablenken, kommst du aus dem Rhythmus und es wird dir viel schwerer fallen, die unterbrochene Tätigkeit wiederaufzunehmen als beim ersten Mal, als du begonnen hattest, deinen Zorn auszuräumen und zu vergeben.
Vielleicht beginnst du es flüchtig und nachlässig zu tun, um nur möglichst schnell fertig zu werden oder du verzichtest darauf, deinen Zorn auszuräumen und zu vergeben, weil du dir einredest, dass dich in der Zwischenzeit etwas Anderes beschäftigt hat. Du vermeidest eine solche Situation, wenn du alles zur Hand hast und dich vollständig dem Prozess, deinen Zorn auszuräumen und zu vergeben, widmest.
Wenn du bereit bist, beginne deinen Zorn auszuräumen und schreibe auf das erste Blatt:
Ich [hier trägst du deinen Vornamen ein], bin wütend auf dich, Peter, Else, Mutti, Vati, [hier trägst du den Namen des Menschen ein, auf den du wütend bist]. Ich würde bspw. so schreiben: „Ich, Wanda, bin wütend auf dich, Peter, weil du mir einst dieses und jenes angetan hast oder damals dieses und jenes nicht getan hast, obwohl du es mir früher versprochen hattest.“ Es geht hier nicht darum, die ganze Situation, die damals vorgefallen war, zu schildern, sondern nur das, was dich damals wütend gemacht, dich geschmerzt, verletzt hat, worauf du zornig bist.
Vernichte keines dieser Blätter, du wirst sie noch brauchen.
Wenn du den Groll auf einen Menschen abgelegt hast, dann geh zum nächsten usw. über, bis du dich mit allen Menschen, auf die du – sei es auch nur ein bisschen - zornig warst, auseinandergesetzt hast.
Wenn du dich der Wut auf andere Menschen entledigt hast, musst du dich daranmachen, die Wut auf dich selbst auszuräumen.
Das sieht ungefähr so aus: „Ich, Wanda, bin wütend auf dich, Wanda, weil du dich einst nicht verteidigt hast, als dieser und jener Mensch dir dieses und jenes angetan hat. Ich, Wanda, bin wütend darauf, dass ich mich damals ausnutzen, verletzen, betrügen oder demütigen ließ.“ Schreib alles auf, was du dir vorzuwerfen hast.
Den Prozess, den Zorn auszuräumen, betreiben wir solange, bis wir erleichtert aufatmen... bis wir fühlen, dass wir in unserem Inneren völlig leer sind, bis wir spüren, dass der Zorn weg ist.
Jetzt kommen wir zum Vergebungsprozess
Die vorher beschriebenen Blätter dienen uns jetzt als Hinweise. Wir nehmen das erste in die Hand und lesen, dass wir bspw. auf Peter wütend sind. Dann schreiben wir zum Beispiel: „Ich, Wanda, vergebe dir, Peter, dass du mir einst dieses und jenes angetan hast. Ich vergebe dir vollständig. Du bist frei und ich bin frei.“ Oder du schreibst: „Ich, Wanda, vergebe dir, Else, dass du mir einst versprochen hattest, dieses und jenes zu tun, du es aber nicht getan hast, ich war damals sehr traurig“, oder „du warst so niederträchtig“. Schildere alle Ereignisse, die dich irgendwann geschmerzt, gekränkt, verletzt haben.
Wenn du spürst, dass du vollständig vergeben hast, gehst du zur nächsten Person auf dem Blatt über. Wenn du mit dieser Person fertig bist, gehst du zur nächsten über usw., bis du allen alles vergeben hast und kein Gramm Wut, Kränkung, Groll, Verletzung u.dgl.m. in dir ist.
Nachdem du anderen vergeben hast, machst du dich daran, dir selbst zu vergeben. Zum Beispiel: „Ich, Wanda, vergebe mir, dass ich mich einst betrügen, kränken, verletzten ließ und mich, Wanda, nicht verteidigt habe.“
Wenn du ehrlich an diesen Prozess herangehst, garantiere ich dir mit voller Verantwortung, dass sich alles in deinem Leben zum Besseren wenden wird. Von diesem Augenblick an übernimmst du die Kontrolle über dein Leben, bis du kein Opfer vergangener Ereignisse mehr bist und nimmst dein Schicksal in deine eigenen Hände statt es wie bisher in die Hände anderer Menschen zu legen.
Der Prüfstein, ob du tatsächlich jeder der Personen, auf die du früher zornig warst, vergeben hast, wird darin bestehen, dass du in deinem Inneren keinen Stich negativer Energie verspürst so wie es früher war, wenn du an irgendeine dieser Personen denkst, etwas über sie hörst oder sie siehst. Es wird dich auch nicht schmerzen, dass es dieser Person vielleicht bessergeht als dir. Du gewinnst das Bewusstsein, dass die Beseitigung der Wut und die Vergebung es dir möglich machen, dich in jede Situation, von der du auch immer träumst und die du dir gestattest, zu versetzen.
Wenn du bei dem Gedanken an irgendeine der erwähnten Personen weiterhin Zorn, Groll, Hass, Angst, Feindseligkeit verspürst, wenn du dich weiterhin verletzt oder betrogen fühlst, dann musst du den ganzen Prozess, den Zorn auszuräumen und zu vergeben von vorn beginnen.
Wisse, dass du jedes Mal, wenn du den Vergebungsprozess wiederholst, du viel weniger Gründe haben wirst, deinen Zorn auszuräumen und zu vergeben als beim ersten Mal. Wenn du dich beim ersten Mal ehrlich daran gemacht hast zu vergeben, dann werden viele der Dinge, die du früher aufgeschrieben hattest, schon geheilt und aus deinem Gedächtnis gelöscht sein. Es verbleiben nur die Umstände oder Personen, denen du nicht vollständig vergeben hast und auf die du weiterhin wütend bist. Wiederhole diese Handlung, bis du vollkommen frei bist. Wie viele Male du das tun sollst? Ich bediene mich der Worte Jesu. Als Er gefragt wurde, ob es reiche, sieben Mal zu vergeben, entgegnete Er, wenn Er vergeben würde, achtete Er nicht darauf, ob Er sieben Mal oder 77 Mal vergibt, sondern vergebe solange, bis alle Schuld getilgt ist. Genauso sollte es auch in deinem Fall sein, dann ändert sich dein ganzes Leben.
Viel Erfolg! – Wanda Pratnicka
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